Visionäre Worte von einer visionären Frau. Jacqueline ist Alumnus unseres zweiten Jahrgangs. Zwei Jahre nach ihrem Stipendium treffe ich (Isa aus der ahoj-Crew) sie am Berzdorfer See, um zu erfahren, was aus ihrer Gründungsidee geworden ist.

Hier fängt die Geschichte von Jacquelines Vorhaben schon weit vor ihrem Stipendium an. Alles beginnt im Frühjahr 2013, als sie mit einem Bauwagen am Berzdorfer See einen Ort der Verbundenheit mit der Natur und dem See für sich findet. Einen Ort zum Lernen, für Begegnungen und Feste mit Freunden. Einen Ort der Inspiration.

„Der Wagen war echt der Heiler. Der hat mir gezeigt, was ein Ort mit einem Menschen machen kann. Und was es heißt, mobil zu sein. Ich mag mobile Konzepte.“

Dort wuchs in ihr der Wunsch, etwas wirklich Eigenes auf die Beine zu stellen und auch anderen den See inmitten von Natur als Oase nahe zu bringen. Damals gab es viele Ideen, auch anderer See-Begeisterter. Doch der Platz am Ufer war rar und die einzige Baugenehmigung ergatterte die heutige „Insel der Sinne“.  

„Und dann dachte ich: Wasser. Ich muss aufs Wasser. Da kann man einfach in Ruhe da sein.“

So naheliegend der Gedanke war, so kompliziert gestaltete sich der weitere Weg. Ein Hausboot wäre spannend gewesen, ist damals aber an Formalitäten gescheitert. 2017 plant die Stadt Görlitz einen Bootsanleger in Deutsch-Ossig auszuschreiben, was jedoch im weiteren Prozess durch die Stadt wieder verworfen wird. Danach sollte es noch ganze sechs Jahre dauern, bis überhaupt eine Schiffbarkeit des Berzdorfer Sees erklärt werden würde.

Den ersten richtig großen Schub bekommt Jackys Vision dann 2018 mit einer Existenzgründerberatung. Plötzlich wird aus der romantischen Idee ein handfestes Vorhaben. Aus allen Optionen kristallisiert sich ein Konzept mit vermietbaren Hausbooten heraus, die Jacky im weiteren Gespräch liebevoll ihre „Flößchen“ nennt. Sie bewirbt sich um Fördermittel aus dem Strukturwandel. Und erfährt wieder Ablehnung.

Was braucht es, um an dieser Stelle nicht frustriert aufzugeben? Nicht zwischen Bürokratie und dem Gewimmel all der großen Haie unterzugehen? Nicht einfach in Richtung Havel zu ziehen, wo es schon ganz bequem all die mobilen Konzepte auf dem Wasser gibt?

Viel Optimismus und Liebe sowohl zur eigenen Idee als auch zur Region, vermute ich. Beides spüre ich zumindest bei Jacqueline ganz deutlich in jedem Wort mitschwingen. Ihre Augen strahlen.

Mein Sohn sagt immer: „Ey Mama, was machst du ’n eigentlich noch hier?“
Und dann sag ich immer: „Irgendjemand muss eben auch hier was machen.“

Im Herbst 2020 stolpert Jacky dann über das Stipendium im ahoj. Lorenz kennt sie bereits aus anderen Projekten. Durch die vielen Absagen glaubt sie zwischenzeitlich zwar schon selbst fast nicht mehr an ihre „Floßzeit“. Aber die Jury sieht Potenzial darin.

Das Stipendium nutzt Jacky, um sich noch viel intensiver mit ihrer Vision auseinanderzusetzen, sie mit sich und im Austausch mit anderen durchzuspielen und am Ende noch viel klarer zu sehen. Das erste Mal befindet sie sich in einer Gemeinschaft, in der sie mit ihren Gründungsgedanken und -fragen so richtig andocken kann. In der sich auch andere mit ähnlichen Prozessen und Hürden konfrontieren.

„Es war total wichtig, Menschen in ihrer Gründungsphase kennenzulernen und sich auch selbst intensiv damit zu beschäftigen. Also ein Netzwerk zu haben und selbst in seiner Schatzkiste zu graben. Und wenn man den Raum hat, wo man sein Thema platzieren kann, dann wird die Idee viel realer. Es braucht diese Orte, wo man zusammen was entwickeln kann.“

Welchen Mehrwert bot das ahoj noch im Vergleich zu der klassischen Gründungsberatung, die Jacqueline vorher in Anspruch nahm? Es war unter anderem der Fokus aufs Gemeinwohl.

„Durch das ahoj habe ich dann zum ersten Mal über das Gemeinwohl nachgedacht, das war bis dahin nicht so mein Konzept. Obwohl ich immer einen offenen Ort haben wollte. Einen freien Ort.“

Gemeinwohl heißt dabei nicht, dass die Wirtschaftlichkeit eines Projektes ausgeschlossen ist. So wird sich Jackys Vorhaben nach heutigem Stand nur über Mieteinnahmen der Floße tragen können. Dennoch ist und bleibt ihre Vision die eines offenen Ortes, in dem Erleben und Begegnung eine zentrale Rolle spielen. Das wird ganz deutlich, als sie auf die Frage nach ihrer Zielgruppe wie aus der Pistole geschossen antwortet:

„Menschen. Menschen, die Lust auf Draußen sein haben.“

Wo steht das Vorhaben also heute? Geplant sind ein paar kleinere Floße in Familiengröße sowie ein großes mit Platz für zwölf bis zwanzig Personen. Diese möchte sie nicht nur statisch vermieten, sondern durch weitere Naturerlebnisangebote bereichern. Dafür hat Jacky letztes Jahr den Segel- und Bootsführerschein gemacht und führt seit 2018 in Kooperation mit der Segelschule am Berzdorfer See SUP-Kurse durch. An der VHS bietet sie Wildniswanderungen und Naturerlebnisse an und ist mit anderen Wildnispädagogen deutschlandweit vernetzt. Gerade die Wildnispädagogik liegt ihr am Herzen, weil sie die Entfremdung von der Natur und auch von anderen Themen aufzulösen vermag.

Neben den Floßen braucht es aber auch noch ein passendes Team. Als saisonales Angebot ist es nicht geeignet, um irgendwann Jackys Festanstellung bei Senckenberg in Görlitz komplett abzulösen. Dafür fühlt sie sich dort auch viel zu verbunden und sieht stattdessen eine große Chance von Synergien durch Naturerfahrung zu ihrem Projekt. Für die Umsetzung wünscht sie sich eine Crew und Menschen, die mit anpacken und das Ganze mittragen und lebendig werden lassen. Auf der Suche nach weiteren Förderungen erzählt sie in ihrem Netzwerk immer wieder von ihrem Projekt und hofft so, noch mehr Interesse und Begeisterung zu wecken.

„Der See hat Bedarf an ganzheitlichen Ideen! Und ich hab Bock, Menschen zu treffen, die auch so denken.“

Manchmal dürfen wir erst Altes hinter uns lassen, damit Neues entstehen kann. Ihren Bauwagen am Seeufer hat Jacky mittlerweile schweren Herzens aufgegeben. Da dort, wo ihre Idee ursprünglich begann, erfuhr sie keinerlei Unterstützung.

„Ich hab glaube ich aufgehört, in diesem Mangel zu denken. Ich sehe das alles nicht mehr so. Das ist ein Fokussieren auf die Dinge, die sich gut anfühlen.“

Zum Schluss fällt die Metapher eines Puzzles. Das trifft es wirklich, denke ich bei mir. Und bewundere die Ausdauer und Motivation, mit der Jacky die einzelnen Teile ihres Projektes zusammenbringt.

Seid ihr neugierig auf Jackys Floßprojekt auf dem Berzdorfer See oder könnt ihr euch sogar vorstellen, sie dabei zu unterstützen? Dann meldet euch gerne bei uns, damit wir den Kontakt zwischen euch herstellen können 😊

Copyright Fotos: Jacqueline Gitschmann, Otto Kronschwitz, Isa Kulosa