Oliver kommt 2021 als Stipendiat ins ahoj – und hat im Vergleich zu den meisten anderen Stippis eine sehr genaue Vorstellung davon, was er konkret in die Welt tragen möchte. Wie ihn sein eigener Rückschlag erst zu seiner heutigen Profession führte, was er im ahoj lernte und warum er heute zumindest temporär doch noch einmal sein Glück als Angestellter findet, erfährst du in diesem Artikel.
Oliver treffe ich, Isa, bei uns im ahoj-Laden. Er bringt Heidelbeeren mit, die wir uns gemeinsam auf der Couch schmecken lassen. Eins der großen Geschenke für mich als neues Crew-Mitglied besteht darin, dass ich unsere bisherigen Alumni ganz neutral kennenlernen und mir ihre Geschichte erzählen lassen darf.

Olivers Geschichte beginnt in unserer Hauptstadt Berlin. Hier wächst Oliver als echtes Großstadtkind auf. Mit dem großen inneren Wunsch, sich selbst und andere Menschen zu verstehen, kommt er zur Psychologie.

Eins der ersten Bücher, die ich freiwillig gelesen habe, hieß ‚Der Panama-Hut oder was einen guten Therapeuten ausmacht‘. Da war ich 16 oder so.

Da der NC für ein Psychologie-Studium in Berlin mit 1,0 für ihn nicht erreichbar und die Stadt zu verlassen damals keine Alternative ist, widmet er sich zunächst der Entwicklung von PC-Spielen. Danach studiert er Philosophie in der Hoffnung, die Frage nach „dem guten Leben“ aus der menschlichen Psyche heraus zu beantworten. Doch zwischen ihm und der akademischen Philosophie entsteht ein derart großer Konflikt, dass schließlich sein Körper die Reißleine zieht. Die Diagnose Burn-Out wabert durch den Raum, wird aber nie offiziell von medizinischer Seite gestellt.
Der ungefähr achte Orthopäde ist es dann, der Oliver auf der Suche nach dem Ursprung seiner Symptome tatsächlich einmal mit seinen eigenen Händen berührt. Zu dem Zeitpunkt wird Oliver überhaupt erst klar, dass sein eigener Körper hart wie Stein ist. Nach den unzähligen Besuchen bei Fachleuten verschafft ihm endlich ein Yoga- und Meditationskurs erste Linderung.

„Grundlegend war da eine ganz große Verzweiflung. Was soll ich nur machen? Ich hatte so ein starkes Bedürfnis, richtig auszubrechen aus dieser Situation, aus dieser Machtlosigkeit. Wie aus einem Käfig. Und ich hatte das Gefühl, das kann ich nur machen, wenn ich was richtig Extremes, was Abenteuerliches mache.“

Das Extreme bedeutet in dem Fall: zehn Tage Schweigeretreat. Zwölf Stunden täglich meditieren. Körpertherapie in Reinform. Danach findet Oliver immer mehr Heilung im alternativmedizinischen Bereich: Yoga, Meditation, Tanzen, Singen. Wie eng Körper und Psyche zusammenhängen, erfährt er buchstäblich am eigenen Leib.

„Das wollte ich mit der Welt teilen. Das war meine Mission.“

Irgendwann wird ihm Berlin zu viel. Gemeinsam mit einem Freund beschließt er, der Großstadt zu entfliehen. Fast klischeehaft tippen sie mit geschlossenen Augen auf eine Landkarte und starten 2021 ihr „Experiment Görlitz“. Über Google kommt er zum ahoj und bewirbt sich in großer Klarheit über seine Gründungsidee „psychologische Beratung und Körpertherapie“ für das Stipendium.

Was passiert in den folgenden sieben Monaten des ahoj-Stipendiums? Oliver selbst beschreibt es als eine „unglaubliche persönliche Transformation“.

 „Erstmal habe ich in der Zeit viel an mir selbst gearbeitet. Zu gründen / sich selbstständig zu machen, ist eine unglaublich schöne Gelegenheit, die eigenen Grenzen, Trigger und Blockaden zu spüren. Warum fallen mir gewissen Dinge schwer? Warum gehe ich ihnen aus dem Weg? Warum prokrastiniere ich?“

Erst durch diesen Prozess lernt er, transformative Prozesse auch bei anderen anzuleiten und zu begleiten. Dabei fällt mir während unseres Gesprächs immer wieder auf, welche Ruhe und Erdung Oliver aus sich heraus ausstrahlt. Er wirkt auf mich fast wie eine Therapie gegen die Oberflächlichkeit des Alltags. Mich beeindruckt, wie viel Zeit er sich nimmt, um seine Antwort so zu durchdenken, dass sie ihm wirklich entspricht.

„Was das ahoj für mich geschafft hat, ist ähnlich wie das, was ich für meine Klienten schaffe: es ist ein haltender Raum. Das heißt das ahoj hält diesen Raum, in dem es das Thema Gründen gibt. Und ich bin da und das Thema ist entsprechend präsent und ich kann mich in diesem Raum in dem Thema erforschen.“

Neben der fachlichen Qualifizierung und dem bestärkenden Gefühl der Verbundenheit mit den anderen Stippis war das ahoj für Oliver auch eine Art Selbstverpflichtung gegenüber seiner eigenen Gründung.

„Wenn das ahoj nicht dagewesen wäre, hätte ich viel krasser prokrastiniert. Das ahoj ist wie ein Anker gewesen. Es hat mich immer wieder daran erinnert, dass das gerade mein Job ist.“

Besucht man heute Olivers Website, verspricht sie Anfang 2023 die Eröffnung von Ollis eigenem Studio. Darauf angesprochen muss er lachen und gibt schmunzelnd zu, da schon länger nicht mehr drauf gewesen zu sein. Verwaltung, Marketing, all die organisatorischen Dinge rundherum gehören für ihn auch heute noch eher zum Beiwerk. Menschen im Rahmen der Körpertherapie zu helfen und zu heilen ist und bleibt, was ihn im Kern antreibt.
Dass er dazu in der Lage ist, beweist er gerade als Angestellter am Klinikum. Hier sammelt er neue und wichtige Erfahrungen in der Körpertherapie. Und genießt zur Abwechslung, regelmäßig sein Gehalt überwiesen zu bekommen und sich ganz auf seine Arbeit fokussieren zu können.

„Ich merke, dass das jetzt eine wunderschöne Erfahrung ist, neue Dinge zu lernen, mich in einer neuen Atmosphäre zu erfahren. Gleichwohl merke ich, dass das nicht meine Endstation ist.“

Perspektivisch will Oliver nach der Arbeit am Klinikum seine Selbstständigkeit wieder aufnehmen. Wenn Geld keine Rolle spielen würde, wäre sein Traum ein eigenes Studio mit richtig schönen Räumen, in welchem auch andere Kurse geben und ein Kollektiv entstehen kann. Alternativ steht die Einmietung in fremde Praxisräume zur Debatte.

Ganz naiv frage ich, ob sonst noch Punkte offen sind, bevor es richtig losgehen kann. Und merke an der Antwort, dass Oliver seine Hausaufgaben gemacht hat.

„Diese Frage ‚Ja was könnte ich denn noch machen, bevor…?‘ ist eine harte Prokrastinationsfrage. Ich könnte hundert Antworten geben und mich damit erstmal beschäftigen, bevor es richtig losgeht. Just do it!“

Hast du auch Lust, endlich anzufangen? Dann bewirb dich bis uzm 30.09.2023 für unsere neue Stipendiumsrunde! Alle Informationen findest du hier.