Selten treffe ich eine so vielseitige und gleichzeitig bodenständige Person wie Franziska. Mit ihrem Vorhaben „Zukunftslabor Biehainer Waldgarten“ dockt sie 2021 im ahoj an. Wie es heute um das Projekt steht und warum sie sich mittlerweile mit einem anderen Angebot selbstständig gemacht hat, erfährst du in diesem Artikel.

„Mitten in der Pampa“ am Ende einer Dorfstraße treffe ich Franzi an einem lauen Augustabend. Die Sonne steht tief über einem Gartenzaun, hinter dem sich ein kleines, grünes Idyll verbirgt und wo der fehlende Handyempfang nur ein weiteres Puzzleteil der entschleunigenden Atmosphäre zu sein scheint. Mit einem freundlichen Gurren werden wir von einer bunten Hühnerschar begrüßt, die mit ihrem mobilen Haus über eine Streuobstwiese wandern und sie pflegen.

Der Garten ist Teil des Grundstücks, welches Franzi mit ihrem Mann James und den beiden Hunden „Grille“ und „Asta“ ihr zu Hause nennt. Noch bevor sie überhaupt einziehen, keimt schon die Idee auf, an diesem Ort Veranstaltungen und konstruktiven Austausch zu nachhaltigen Lebensweisen anzubieten. Kurz darauf erfährt Franzi von Anna aus der ahoj-Crew vom Stipendium und ist sofort vom Nachhaltigkeitsaspekt und der Kombination aus Fachwissen, Anschluss an eine Gründergemeinschaft sowie dem Vernetzungspotential begeistert und bewirbt sich erfolgreich.

„Ich fand das so cool, dass ich ernst genommen wurde! Und dass dann auch die Jury gesagt hat: ja, das ist eine coole Idee. Weil ich es vorher selbst eigentlich als hirnrissig angesehen hatte, da so viel Zeit und Geld reinzustecken.“

Aufgrund der Corona-Pandemie müssen weite Teile des Programms online stattfinden. Für Franzi, die zusätzlich zum Stipendium und ihrem Job als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Informations-, Kommunikations- und Medienzentrum der BTU Cottbus noch ein an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde in “Bildung – Nachhaltigkeit – Transformation” studiert wegen der vielen Bildschirmzeit doppelt anstrengend.

„Aber immer wenn wir irgendwas im ahoj in Präsenz gemacht haben, war ich richtig Feuer und Flamme. Es war genau das, was ich gebraucht habe  – sowohl inhaltlich als auch die Gruppe. Wir haben uns gegenseitig so viel gegeben.“

Dennoch geht es mit dem Zukunftslabor Biehainer Waldgarten nicht so schnell voran, wie zunächst gedacht. Rückblickend sagt Franzi, dass es vielleicht zu früh war für das Stipendium. Dass sie noch zu viele Fragen und Widerstände in sich spürte, weil sie damals selbst noch nicht wirklich im Ort angekommen war. Welche Formate sind an dem Ort überhaupt denkbar, ohne zu sehr in die natürliche Idylle einzugreifen? Wie würden die alteingesessenen Einwohner auf so ein Angebot reagieren? Gibt es im näheren Umkreis überhaupt Interesse daran? Und wie lange werden Franzi und James, der aus Australien kommt, überhaupt selbst hier wohnen wollen?

„Also es ist auf jeden Fall eine langsame Geburt. Ich hab‘ dann zwischendurch ein bisschen die Motivation verloren. Ich glaube, es hängt daran, noch Mitstreiter zu finden, mit denen man gemeinsam etwas entwickeln kann, eine gemeinsame Vision haben kann.“

Zunächst geht es jedoch auf eigene Faust weiter. Vom Mitmachfonds bekommt Franzi ein Preisgeld für ihre Idee und kauft davon drei Bänke und ein umweltfreundliches Kompostklo mit LED-Sternenhimmel. Damit steht die grundlegende Infrastruktur für Veranstaltungen. Sie plant einen ersten Kick-Off im Themenbereich Tiefenökologie: Wie kann die Energie aus Trauer, Frustration und Überwältigung in Anbetracht unseres Raubbaus an der Natur in konstruktive Handlungen umgewandelt werden? Doch dann sagt ihre Referentin ab. Für Franzi ein herber Rückschlag.

Gleichzeitig qualifiziert sie sich mit ihrem parallel laufenden Studium als Change Agent in Teilselbstständigkeit aktiv zu werden. Immer mehr Anfragen und Projekte landen auf ihrem Tisch, sodass der Garten ein wenig in den Hintergrund rückt. Heute ist sie u.a. als freie Autorin für die Ökolausitz tätig, filmt Zeitzeugen-Interviews für das Jüdische Museum und leitet ein Online-Modul zum Thema transformatives Lernen für Pädagogen im Rahmen der Bildung für nachhaltige Entwicklung.

Dennoch spüre ich deutlich, dass Franzi ihre Vision nicht aufgegeben hat. Immer wieder kommen wir im Gespräch darauf zurück, was auf diesem schönen Stückchen Erde noch alles denkbar oder geplant ist: wir sprechen über Wegeführung, eine Outdoor-Küche, Tipis, eine Fasssauna, einen Naturteich, Blühwiesen, temporäre Wohnmöglichkeiten für Helfer. Und immer wieder das Bewusstsein, an diesem wildromantischen Ort nur Besucher zu sein.

„Mein Anliegen ist, dass das hier alles naturbelassen ist. Dass ich hier keinen Unfug treibe. Dass hier die Artenvielfalt steigt. Also erstmal versuchen, zu pflegen, was da ist.“

Vielleicht ist vor diesem Hintergrund eine langsame Geburt auch nicht das Schlechteste. Im Herbst will Franzi nach zwei Jahren einen neuen Anlauf wagen, Raum und Gelegenheit für Austausch im Waldgarten zu bieten: ein erstes Frauenkreis-Treffen, um sich über Themen wie den Einfluss des Mondes, das Männliche in der Frau und das Frauliche im Mann auszutauschen. Und wer weiß, vielleicht erwächst daraus noch mehr. Und wenn nicht, wäre auch das in Ordnung. Was Franzi im Stipendium gelernt hat, bleibt ihr schließlich ein Leben lang.

„Selbst wenn das jetzt hier nur ein Garten bliebe, wäre das auch ok. Weil das Stipendium für mich der Einstieg war, um mich überhaupt an die Selbstständigkeit zu wagen.“

Möchtest auch du gemeinsam mit uns im ahoj den Sprung in neue Gewässer wagen? Dann bewirb dich bis uzm 30.09.2023 für unsere neue Stipendiumsrunde! Alle Informationen findest du hier.